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myBlee – Lern-App mit Potenzial

myBlee ist eine iPad-App mit schulischen Lerninhalten. Die angebotenen Inhalte reichen von der Vorschule bis zur zehnten Klasse.

Aus welchem Grund schreibe ich über diese App? Ganz einfach: Der Hersteller nahm Kontakt mit mir auf und bat mich darum. Mein erster Impuls war abzulehnen. Aber dann dachte ich: Warum eigentlich nicht? Ich würde deutlich machen, dass der Hersteller „mich beauftragt“ hat. Und ich würde kein Blatt vor den Mund nehmen und meine ehrliche Meinung zu dieser App kundtun.
So. An diesem Punkt stehe ich nun. Eine Programm-Besprechung.

myBlee Startbildschirm
myBlee Startbildschirm

Erster Eindruck

Nach meiner Zusage soll ich mir die App aus dem iTunes-Store herunterladen. Ich erhalte einen Link, um für die nächsten zwei Wochen kostenlosen Zugriff auf alle Lerninhalte zu haben. Also rufe ich als erstes den AppStore auf und gebe „myBlee“ als Suchbegriff ein. Ich bin erstaunt, wie viele Treffer ich erhalte. myBlee Education, Kopfrechnen – myBlee, Schriftlich subtrahieren – myBlee, Längen umrechnen – myBlee, Adjectifs et contraires – myBlee, Recognizing shapes – myBlee, Back to school 2012 – myBlee … insgesamt werden 26 verschiedene Apps aufgelistet. Man weiß gar nicht, für welche man sich entscheiden soll. Die Preise reichen von 89 Cent bis 10,99 €.

Programmvielfalt
Programmvielfalt

Zum Glück hatte ich die Information, dass ich die kostenlose App myBlee Education laden soll. Nach ersten Schritten im Programm sehe ich, dass all die weiteren Programme in ihr enthalten sind. Man kann diese über In-App-Käufe freischalten oder ein zeitlich begrenztes Abonnement abschließen. Mit knapp sechs Euro pro Monat ist man dabei.

Das Abo ist an sich eine interessante Variante. Allerdings erscheint es auf den ersten Blick ein bisschen teuer. Wenn man noch einmal darüber nachdenkt, relativiert sich das. Auch analoge Lernbücher oder -hefte kosten zwischen 7 und 25 €. Wenn man überlegt, wie lange man daran hat, bewegt man sich im gleichen Bereich. Dennoch sollte der Hersteller seine Preisgestaltung überdenken. Ist es wirklich sinnvoll, so viele verschiedene Preise für die unterschiedlichen Module anzusetzen? Aus Verkäufer- oder Herstellersicht mag das durchaus sinnvoll sein. Den Benutzer verwirrt es eher, oder schüchtert ihn gar ein. Ein einheitlicher Preis pro Modul. Ein Abo-Preis. Das wäre eine klare Struktur.

Gesamtkonzept

Nach dem Programmstart befindet man sich zunächst in der Benutzerverwaltung. Hier kann man einen Bilderrahmen festlegen, ein Foto wählen, den Vornamen des Kindes eingeben sowie das Geburtsdatum und die Altersstufe (hm, ich dachte, dies ließe sich aus dem Geburtsdatum errechnen).

Benutzerverwaltung
Benutzerverwaltung

Diese Herangehensweise ist Standard, weder eine besonders herausragende, noch eine mangelhafte Lösung. Ärgerlich sind allerdings ein paar Details: Neben der Sache mit dem Geburtsdatum und dem daraus nicht errechneten Alter ist auch die Ansprache nicht konsequent: Man wird per „du“ aufgefordert, seine Daten einzugeben. Vergisst man, dem Kind einen Namen zu geben, wird man gesiezt: „Fehler. Sie müssen einen Namen angeben!“

Ist dies alles erledigt, gelangt man auch schon direkt in die Übersicht der Lektionen. Hier gleich ein Ärger: Eben hat man die Altersstufe eingegeben, jetzt muss man sie noch einmal auswählen. (Übrigens muss man sie jedes Mal, wenn man sich in die „Bibliothek“ begibt, wieder neu einstellen!) Positiv finde ich ja, dass man sie ändern kann. Aber es wäre einfach gut, wenn sie bereits vorausgewählt wäre.

Klassenstufe wählen
Klassenstufe wählen

Gleich neben diesem Auswahlmenü befindet sich ein zweites für die Sprache. Neben den eigentlichen Inhalten besteht also die Möglichkeit quasi en passant eine fremde Sprache zu üben.

Interessant: In einer anderen Sprache werden teilweise andere Lektionen angeboten. Das macht Sinn, denn wenngleich es im Französischen den Bedeutungsunterschied zwischen Vokalen mit und ohne Akzent gibt, existiert dies im Deutschen eben nicht. Andererseits wird hier deutlich, dass der App-Hersteller in anderen Sprachen als der eigenen (Französisch) inhaltlich noch ein wenig nachlegen muss. In Französisch gibt es Übungen zur Sprache. In Deutsch (noch) nicht. Hier beschränkt sich leider das Angebot bisher auf Mathematik. Ich hoffe, LGM Learning entwickelt hier irgendwann weitere Inhalte.

Einheiten
Einheiten
Längen messen
Längen messen

Das Mathe-Angebot allerdings ist sehr vielfältig. Ich habe es nicht exakt verglichen. Aber ich habe den Eindruck, dass alle wichtigen Bereiche des (Gymnasial)Lehrplans vertreten sind. Leider gibt es keine Differenzierung nach den verschiedenen Schultypen. Auch fällt auf, dass in den höheren Jahrgangsstufen die Themenwahl deutlich dünner ausfällt. myBlee eignet sich somit wohl eher für jüngere Schüler. In höheren Jahrgangsstufen ist es ausschließlich schöne Ergänzung zu klassischen Angeboten.

Textaufgaben
Textaufgaben
Koordinaten
Koordinaten

Wo das digitale Medium gegenüber klassischen sein Potenzial ausspielt, sind die statistischen Auswertungen. So können die Eltern nachverfolgen, wann der Filius (oder die Tochter) welche Übungen absolviert hat. Und man kann sich auch ansehen, in welchen Lektionen welche Ergebnisse (in Prozent) erzielt wurden.

Design

So, nun kann ich mir nicht verkneifen, auch noch ein paar Worte über die Gestaltung zu verlieren. Sie passt gut ins Gesamtbild. Sie ist ganz gut gemacht, weist aber einige Schwächen auf. Sie ist relativ großflächig und übersichtlich, also sicher gut für Kinder geeignet. Wenn ich mir jedoch vorstelle, dass das Programm angeblich auch für Schüler der Jahrgangsstufe 10 sein soll (wenn ich richtig rechne, sprechen wir dann von 16- bis 17-Jährigen), dann ist das Design für diese mit Sicherheit zu grob und zu kindlich. Also entweder sollte das Design anpassbar sein, oder es sollte sich der gewählten Altersklasse automatisch anpassen; oder aber die App sollte sich einfach auf die Jüngeren konzentrieren und gar nicht versuchen, Ältere zu adressieren.

Ein weiteres Detail ist, dass die App ausschließlich für querformatige Benutzung konzipiert ist. Ich persönlich mag immer ganz gerne, wenn man das iPad so einsetzen kann, wie man das möchte. Aber das ist sicher Geschmacksache. Wenn man sich die einzelnen Übungen ansieht, ist sicher das Querformat die sinnvollere Variante.

Falsche Transparenz
Falsche Transparenz

An einigen Stellen sind Objekte in ihrer Bewegung teiltransparent dargestellt. Ich weiß nicht, ob dies technische Hintergründe hat. Es ist auch nicht extrem störend; für mich jedoch einfach eine Unsauberkeit.

Didaktik

Die Didaktik ist sicher die Stärke von myBlee. Auf Nachfrage beim Hersteller sagt man mir, dass ehemalige Lehrer bzw. Pädagogen Teil des Teams sind. Und das merkt man. Jedes Thema beginnt mit Erklärungen, danach soll das Kind üben; erst einfacheres, dann steigert sich die Schwierigkeit. Später gibt es weitere Erklärungen und weitere Übungen.

Basketball
Basketball

Die Erklärungen sind gut verständlich, so dass ein Kind auch ohne Hilfe eines Erwachsenen gut durch kommt. Wenn das Kind beim Üben einen Fehler macht, erhält es erneut eine Erklärung. Das ist dann allerdings eher nervig. Man hat es ja schon einmal gehört. Und die Erklärung erfolgt sehr langsam. Vielleicht wäre es angebracht, die Erklärung überspringen zu können.

Als weiteres Element der Didaktik gibt es Spielchen; zum einen, um Lösungen herbeizuführen, zum anderen als Belohnung. Die Lernspielchen sind ganz nett, aber wenig abwechslungsreich. Die Belohnung beschränkt sich auf Puzzles, deren Teile man durch das Erreichen verschiedener Ziele innerhalb der Lerneinheiten gewinnt. Ganz nett. Aber da wäre sicher noch mehr drin.

Puzzle
Puzzle

Dennoch (zumindest am Anfang) kommen die Spielchen offensichtlich gut bei den Kindern an. Immerhin war mein zehnjähriger Sohn sehr begeistert von myBlee und hat über einen Zeitraum von einer Woche jeden Tag zwischen 15 und 30 Minuten geübt und sich positiv zu den Spielen geäußert.

 

Benutzerführung/Technik

Die Benutzerführung ist insgesamt gut und intuitiv zu gelöst. Allerdings gibt es ein paar Kleinigkeiten, die LGM Learning überdenken sollte. Die Eingabe bei den Lektionen wird durch Berühren des grünen Hakens an der rechten, unteren Ecke des Bildschirms bestätigt. Leider aktiviert man diesen allzu oft unbeabsichtigt. Und dann muss man sich die Erklärung für etwas anhören, was man eigentlich richtig gemacht hat (oder hätte).

Schrifteingabe
Schrifteingabe
Fehler in der Schrifterkennung
Fehler in der Schrifterkennung

Eine Besonderheit des Programmes: Der Benutzer gibt in der Regel seine Ergebnisse nicht per Tastatur ein, sondern schreibt sie auf den Bildschirm. Meist funktioniert die Schrifterkennung auch gut, allerdings hat sie immer wieder Probleme, zwischen „0“ und „6“ zu unterscheiden. Da das Nachzeichnen der Eingabe eher behäbig erfolgt, bestätigt man häufig zu früh mit Drücken des grünen Bestätigungs-Häkchens. Erst zu spät erkennt man, dass myBlee mal wieder eine „6“ anstelle einer „0“ erkannt hat. „Fehler!“ Dies wirkt leicht demotivierend. Hier wünscht man sich dann, dass die Zahlen doch über die Tastatur einzugeben wären (zumindest als alternative Option).

Eine weitere Besonderheit des Programms liegt nicht nur in der Eingabe per Schrift, sondern auch in der Ausgabe per Sprache. Die Computerstimme im Deutschen ist ganz passabel, auch wenn sie bei manchen Worten, wie „Winkelmesser“, eher lustig in der Aussprache ist. Englisch, Französisch und Italienisch habe ich mir nicht angehört; die Spanische Variante ist allerdings eher schwach. Während die deutsche Stimme recht natürlich wirkt, klingt die spanische sehr künstlich.

Bugs

Insgesamt ist die Software anscheinend recht sauber programmiert. Ein paar Bugs gibt es aber natürlich dennoch. (Welche Software ist schon fehlerfrei?

Lustig ist es, wenn Kinder herausfinden, dass man die Bälle beim Lernspiel „Basketball“ nach dem Durchwerfen des Ringes wieder auffangen kann, so dass sie nicht in die Endposition gelangen; so kann man mehrere Bälle auf der Hand halten.

Ein weiterer Fehler: Es kann vorkommen, dass für die Lösung einer Aufgabe zu wenig Stellen vorgesehen sind, so dass man nur eine falsche Lösung abgeben kann, um sich danach dann die Erklärung anzuhören, wie es hätte richtig sein müssen (obwohl man es wusste, aber nicht angeben konnte). Auch dies ist wieder eher demotivierend.

Bei mir stürzte die App mehrfach ab. Da dies meinem Sohn nicht passierte, kann es natürlich auch daran liegen, dass ich für diese Besprechung mehrere Screenshots erstellte. Dennoch sollte sich das der Hersteller noch einmal anschauen.

Fazit

myBlee ist eine schöne und sinnvolle Lern-App, die gut bei den Kindern ankommt und die Inhalte gut vermittelt. Es wäre toll, wenn die Lektionen erweitert würden, so dass nicht nur Mathe angeboten wird. Einige Verbesserungen sind noch möglich. Aber das Niveau ist bereits sehr hoch. Leider auch der Preis.

Der Standard auf dem App-Markt dürfte wohl die Bewertung mit maximal fünf Sternen, Mäusen oder ähnlichen Symbolen sein. Im Rahmen dieser Skala vergebe ich myBlee derzeit vier von fünf Pepsen.

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Die Learntec 2013

Die Learntec ist vorbei. An einem der drei Messetage habe ich mir die Leitmesse für professionelle Bildung, Lernen und IT in Karlsruhe angesehen.

Gesamteindruck
Die Reise dorthin war ganz angenehm. Die Zugverbindung nach Karlsruhe ist brauchbar. Lediglich das Messegelände liegt etwas außerhalb. Aber dafür hat der Veranstalter einen gut funktionierenden Bus-Shuttleservice eingerichtet.
Der Veranstaltungsort ist attraktiv; die moderne Architektur mit ihrer hoch gewölbten, holzverkleideten Decke erzeugt eine angenehme Atmosphäre. Die Aufteilung der Stände ist großzügig und lässt genug Raum zum Gehen, Stehenbleiben und Schauen.
Die gesamte Messe ist in einer einzigen Halle untergebracht. Man schafft es also bequem, alle Aussteller, die man sehen möchte, an einem einzigen Tag zu besuchen – außer man will an vielen Vorträgen des umfangreichen Kongress-Programms teilnehmen.

Aussteller/Themen
Thematisch ist die Learntec sehr vielfältig. Man findet hier so ziemlich aus jedem Bereich der Branche meist mehrere Anbieter. So tummeln sich hier Personal- und Recruiting-Unternehmen neben Anbietern von Lernplattformen, Serious-Games-Unternehmen und Produktionsfirmen von Lernfilmen. Teilweise steht man ein wenig hilflos vor den Ständen, da nicht alle es schaffen, ihr Angebot entsprechend zu präsentieren und auf den Punkt zu bringen. Aber dies ist eher ein generelles Problem von Messen.
Für mich ist der Messebesuch ein erstes Orientieren innerhalb der Branche. Ich komme nicht mit dem Anspruch hierher, die neuesten Entwicklungen der XY-Programme oder neue Tendenzen im Aufbereiten von Lerninhalten zu sehen, sondern möchte mir einen ersten Überblick verschaffen. Und hierfür ist die Messe gut geeignet.
Allerdings bin ich etwas enttäuscht, dass kaum etwas zu Mobile Learning zu finden ist. Aber dies bestätigt meine Einschätzung, dass die Anbieter noch ein bisschen hilflos diesem Thema gegenüberstehen. Lediglich einen konnte ich finden, der ein Modul entwickelt hat, um über MOODLE Inhalte zu schreiben, die dann auf mobile Endgeräte gepostet werden.

Vorträge
Neben den Ausstellern bietet die Messe ein umfassendes Vortrags-Programm in verschiedenen Arealen. Im Bereich Games@Learntec gibt es vieles über Spiele im Zusammenhang mit Lernen zu hören. Im Bildungsforum wird unterschiedlichstes präsentiert, zum einen ein hochkarätiges kostenpflichtiges Programm. Aber auch die kostenlosen Vorträge können sich sehen lassen.

Prof. Dr. Alexander Unger
Zwei der Games@Learntec-Vorträge gefallen mir besonders gut. Zum einen der von Prof. Dr. Alexander Unger, der sich mit dem Thema „Modding“ auseinandersetzt, also dem Modifizieren von bestehenden Spielen. Es geht ihm hier weder um Lernspiele, noch um das Lernen mit Spielen, sondern um eine ganz eigene Form des Lernens. Die Modder schließen sich zu virtuellen Teams zusammen und lernen neben sozialen Kompetenzen, die zur Zusammenarbeit nötig sind, auch Projektmanagementfähigkeiten, Genauigkeit, Zuverlässigkeit und ähnliches. Einige recherchieren darüber hinaus auch sorgfältigst, um zum Beispiel historisch korrekte Details in Spieleausstattungen unterzubringen. Sie lernen also ganz konkrete Inhalte.
Aber auch den Aspekt, Spiele und andere Programme über YouTube-Videos zu erlernen finde ich spannend. Neben den professionellen Anbietern sind auch hier immer mehr ambitionierte Laien am Werk, die anderen Anwendern helfen und sich sicher auch ein Stück weit selbst verwirklichen wollen: Die neuen Medien lassen sich nicht nur nutzen, sondern bieten auch die Möglichkeit, sich selbst einzubringen. Sie sind modifizierbar und man kann seinen eigenen Ausdruck realisieren.

Martin Nerurkar
Martin Nerurkar von Sharkbomb Studios, Karlsruhe, präsentiert den zweiten spannenden Vortrag. Der Titel ist „Der perfekte Baukasten – Wie kann ich selbst Welten gestalten? Was ist der Reiz?“. Wobei: Er lässt sich eigentlich über das Thema Story Worlds aus. Dieser Begriff kommt aus der Filmindustrie, wo es darum geht, dass eigene „Universen“ ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, bestimmte, am besten gut wiedererkennbare Elemente und eine eigene Optik besitzen.
Dies ist zwar für die Erstellung eines guten Spiels nicht zwingend, aber auf jeden Fall ein vielversprechender Ansatz. Durch eine StoryWorld kann ein Spiel eine zusätzliche Bedeutung erhalten. Auch steigt durch eine ansprechende Story World die Motivation für ein Spiel extrem an. Und damit sind wir wieder in einem ganz spannenden Bereich des Lernens.

Stefan Frädrich
Im dritten Vortrag – diesmal im Bildungsforum – wirbelt Stefan Frädrich, der Erfinder des inneren Schweinehundes „Günter“ durch den Raum. Es geht in dem einstündigen Vortrag allerdings nicht nur um den inneren Schweinehund; vielmehr ist es ein Schweinsgalopp durch die Themen Gewohnheiten, Lernen und Motivation. Seine Aussage: „Lernen ist das Üben mit Herausforderungen!“
Zum Ende fordert Frädrich seine Zuhörer auf, jeden Tag etwas Neues zu lernen. Denn Lebenszeit misst sich in Ereignissen, nicht in Tagen. Also sollte man versuchen, möglichst viele Ereignisse zu produzieren. Ein toller, motivierender Vortrag. Erstklassig.

Fazit
Alles in allem ist die Learntec eine empfehlenswerte Messe. Ich werde sie wohl auch nächstes Jahr besuchen.

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Anerkennungsgesetz

AnerkennungsgesetzDas BMBF verkündet im Oktober stolz, das Anerkennungsgesetz sei ein großer Erfolg. Vor einem halben Jahr trat es in Kraft.

Was aber ist das Anerkennungsgesetz?

In Deutschland ist die berufliche Ausbildung genau geregelt. Entweder man beginnt nach der Schule eine staatlich anerkannte Berufsausbildung oder man studiert. Ansonsten hat man – als Ungelernter – bestenfalls Aussichten auf einen Hilfsjob.
Es gibt Regelungen für alle Bereiche: Handwerk, Gesundheitswesen, Handel, Industrie und mehr. Für jeden dieser Bereiche ist eine offiziell benannte Stelle vorhanden, welche die Abschlussprüfungen abnehmen und ein Zeugnis ausstellen darf. Mit diesem erhält man auch seine offizielle Berufsbezeichnung – Bürokaufmann, Altenpfleger, Trockenbaumonteur …

Jeder weiß also sofort, was eine Person gelernt hat (oder gelernt haben soll), wenn sie diese Berufsbezeichnung führt. Falls man es nicht weiß, kann man in einem Verzeichnis (z.B. Berufenet) nachsehen und erhält dort eine Beschreibung. Es handelt sich also um eine Standardisierung der Berufsabschlüsse.
Wie alle Standardisierungen, bringt auch diese Vor- und Nachteile mit sich.

Der Vorteil liegt in der Vergleichbarkeit. Der Nachteil ist, dass wir gewohnt sind, nach dem Abschluss, nach dem Zeugnis zu schauen, um die Fähigkeiten eines Menschen einzuschätzen. Dabei bemühen wir uns häufig nicht, uns selbst ein Bild über die wirklichen Kenntnisse und Fähigkeiten desjenigen zu machen. Hat ein Bewerber einen gewissen Abschluss nicht, ist er nicht kompatibel. Seine Bewerbung wird nicht berücksichtigt.
Manchmal geht es so weit, dass ein Chef vielleicht sogar die entsprechende Weitsicht besitzt, einen Kandidaten zu berücksichtigen, obwohl er nicht den geforderten Abschluss, aber durchaus „das Zeug zu diesem Job“ hat. Aber ihm sind aufgrund von Vorgaben die Hände gebunden. Er kann einen Bewerber nicht einstellen, da er die nötige „Qualifikation“ nicht mitbringt. So gehen dem Arbeitsmarkt viele fähige Fachleute verloren. Manch einer reiht sich in die Schlange der Arbeitslosen ein, obwohl er gute Arbeit leisten könnte.

So viel in Kürze zum deutschen System. Was aber ist mit Ausländern, welche ihren Abschluss in ihrer Heimat erworben haben? Bisher war es jedem Ausländer selbst überlassen, seinen Beruf ins rechte Licht zu rücken. Oder es war dem Arbeitgeber überlassen, aus den vorliegenden Dokumenten – in Übersetzung oder auch im Original – das Richtige herauszulesen.

An dieser Stelle kommt nun das Anerkennungsgesetz ins Spiel. Es soll ausländische Abschlüsse mit den deutschen Abschlüssen vergleichbar machen. Hat einer in Russland im Rahmen einer Ausbildung gelernt, wie man eine Druckmaschine bedient, wird er also hier in Deutschland wohl mit einem Drucker verglichen und sein Abschluss wird dem eines Druckers in Deutschland gleichgestellt. Hat er Brötchen gebacken, wird er als Bäcker betrachtet.

Weiterer, unbestreitbarer Vorteil des Gesetzes ist, dass ausländische Abschlüsse an Wert gewinnen. Während bisher quasi auf jeden ausländischen Abschluss abschätzig herabgeblickt wurde, können Deutsche diese nun einordnen und mit Ihrem Bezugssystem vergleichen.

Aber auch wenn ein Abschluss niedriger eingestuft werden sollte oder nur in Teilen anerkannt wird, kann der deutsche Arbeitsmarkt nun etwas mit der Bezeichnung anfangen und so ist sein Wert vielleicht geringer, als man das selbst sieht, aber er hat eben einen genau benannten Wert.

Und: Wenn einmal eine Entscheidung gefällt wurde, muss nicht jedesmal wieder überprüft werden, mit welchem deutschen Beruf das Angegebene zu vergleichen ist. Das vereinfacht das Verfahren für Arbeitgeber, gibt aber auch dem Arbeitsuchenden Sicherheit. Er muss nun nicht jedes Mal von neuem erklären, was er da eigentlich gelernt hat.

Es gibt aber auch schwierige Fälle, wo im Ausland mit hochtrabenden Titeln, wie Ingenieur herumgeworfen wurde. Hier hätte der Betreffende dann bestenfalls einen Techniker. Es geht also nicht um Abwertung, sondern darum, dem Abschluss den richtigen Wert zu geben. Ob das allerdings funkioniert, bleibt fraglich. Schließlich ist man sich hierzulande teilweise schon nicht einig über den Wert eigener Abschlüsse.

Und was ist mit Abschlüssen, die nun mal keinen Vergleich zulassen? Ich weiß nicht, ob das Bauen von Iglus bei den Inuit eines staatlich geprüften Abschlusses bedarf. Falls ja, kann ich mir allerdings nur schwer vorstellen, mit welchem deutschen Ausbildungsberuf dies verglichen werden könnte. Dachdecker? Eisformer? Speiseeisbereiter? Und es gibt sicher noch viel gängigere ausländische Ausbildungen, die hier in Deutschland keine wirkliche Entsprechung haben, oder womöglich eine Mischung aus verschiedenen deutschen Berufen darstellen.

Auch ältere Bewerber haben hier wieder einmal häufiger das Nachsehen als jüngere. Denn je länger die Ausbildung zurückliegt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es keinen vergleichbaren Beruf gibt.

Hier steht dann unser aktuelles System im Vordergrund, und die Vergleichbarkeit mit diesem. Welche tatsächlichen Fähigkeiten der potentielle Arbeitnehmer hat, wird dabei nicht berücksichtigt. Auch hier gehen dem Arbeitsmarkt unter Umständen wertvolle Arbeitskräfte verloren.

Eine weitere Schwierigkeit besteht in der Uneinheitlichkeit des deutschen Systems. Es gibt bundeseinheitliche Berufe, aber auch Berufe, welche durch die Länder geregelt sind, z.B. Lehrer, Ingenieure, Architekten und soziale Berufe. Hier greift das Anerkennungsgesetz nicht.

Allerdings sollen entsprechende Länder-Gesetze auf den Weg gebracht werden.

Immerhin, ausländische Arbeitssuchende haben jetzt einen Rechtsanspruch auf ein Anerkennungsverfahren. Das ist schon deutlich mehr als vorher. Dies heißt aber noch nicht automatisch, dass ihre Ausbildung auch anerkannt wird. Aber man kann ihnen das Verfahren zumindest nicht verweigern und sie können versuchen, ihren Beruf, ihren Abschluss in unser System zu integrieren.

Das Verfahren funktioniert so: Bei den IHKs wurde eine zentrale Stelle in Nürnberg eingerichtet, um das Anerkennungsgesetz für die IHK-Berufe durchzuführen, die IHK FOSA. Die Mitarbeiter dort bearbeiten die Anträge. Sie überprüfen die Unterlagen, vergleichen sie nach bestem Wissen und Gewissen mit denen ihn vorliegenden Informationen. Und danach treffen sie eine Entscheidung und erstellen einen rechtsverbindlichen Bescheid.

Sie haben schon einige hundert Anträge bearbeitet. Hierfür brauchen sie derzeit maximal drei Monate; ich denke, ein vertretbarer Zeitraum. Aber kostenlos ist der ganze Spaß nicht. Die mehreren hundert Euro werden sicher den ein oder anderen abschrecken, das Verfahren einzuleiten, zumal der Ausgang ja ungewiss ist.

Für mich heißt das: Nachdem in unserer Gesellschaft das „Schein-Denken“ herrscht, ist es gut, dass es das Anerkennungsgesetz gibt, da so auch Ausländer die Chance haben, dass das, was sie bereits geleistet haben, anerkannt wird. Insgesamt finde ich es aber wünschenswert, dass die tatsächliche Leistung und das tatsächliche Wissen stärker berücksichtigt wird als Abschlüsse und Scheine.

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25 Jahre IHK – Zentrum für Weiterbildung

Am 15.10.12 feierte die IHK Würzburg-Schweinfurt das 25-jährige Bestehen des Zentrums für Weiterbildung. Neben den Vorträgen, die man üblicherweise bei solchen Jubiläumsveranstaltungen hört, sprachen jedoch auch der „Denkexperte“ Jürgen Stock aus Gerbrunn sowie der noch prominentere Gerbrunner Thomas Lurz.

Lurz sprach über Erfolg und Motivation; der Kurzvortrag von Stock hatte das Thema „Weiterbildung – worauf es wirklich ankommt“. In dem Impulsreferat ging es um die Frage, wie Weiterbildung in einer postmodernen Gesellschaft didaktisch sinnvoll konzeptioniert sein muss, um nachhaltige Wirkungen zu erzielen. Sonst laufen viele Trainingsmaßnahmen Gefahr, reine Alibi-Veranstaltungen zu bleiben, ohne jegliche Nachhaltigkeit.

Das Tüpfelchen aufs i setzte Oliver Tissot, seines Zeichens Wortakrobat, der seine Vorredner verballhornte und erstaunliche neue Erkenntnisse produzierte. Erstaunlich, wie er schaffte, einige vorangegangene Inhalte zu verankern.