Ach, wie gut, dass niemand weiß …

Rumpelstilzchen

Eine Buchrezension?

Ach, wie gut, dass niemand weiß … Jeder kennt das. Auch wenn heute – soweit ich es beobachte – gar nicht mehr so viel Märchen gelesen oder vorgelesen werden. Aber dieses und viele andere Zitate aus Märchen sind fest im kollektiven Bewusstsein verankert. Oft wissen wir gar nicht mehr, woher wir das eigentlich haben. Und genau darum dreht sich das Buch von Rolf-Bernhard Essig mit genau dem Titel, den auch dieser Blogbeitrag trägt.

Ein Märchenbuch im Bildungsblog?

Aber was hat das eigentlich mit dem Bildungsblog zu tun? Geht es hier nicht um Bildung, Lernen und solche Themen? Genau! Gerade deshalb ist eine Besprechung dieses Buches hier goldrichtig. Denn über Jahrhunderte hatten Märchen die Funktion, Bildungsarbeit zu leisten, jungen Menschen – aber nicht nur denen – Erkenntnisse zu vermitteln, ein moralischer Kompass zu sein.
Lange war es mit der Verbreitung von schriftlichen Erkenntnissen schlecht bestellt. Zunächst musste jedes einzelne Buch mühsam von Hand geschrieben werden, bis die Einführung des Buchdrucks, des Drucks mit beweglichen Lettern, die Verbreitung geschriebener Texte revolutionierte. Aber auch dann dauerte es noch lange, bis fast jeder:r lesen konnte.
Texte wurden bis es soweit war, ausschließlich mündlich weitergegeben. Und da das menschliche Gehirn auf Geschichten steht, waren es eben Geschichten, die erzählt wurden; phantastische Geschichten, unglaubliche Geschichten, wunderliche Geschichten, Geschichten aus unserem Erfahrungsbereich und außerhalb dessen – eben Märchen.

Jäger und Sammler

Im 19. Jahrhundert begann man dann, diese erzählten Geschichten zu sammeln und aufzuschreiben. Die bekanntesten dieser Sammler, zumindest in Deutschland, waren die Brüder Grimm. Aber so wertvoll diese Leistung war, die verhinderte, dass Wissensschätze verloren gingen, veränderte dieses Aufschreiben auch etwas: Bei der mündlichen Überlieferung veränderten sich Märchen. Es wurde etwas hinzugefügt, etwas ausgeschmückt, das eine betont, anderes weggelassen. Die Erzählung wurde angepasst; an die Gegebenheiten, an die Region, an die Zeit.
Genau diese Veränderungen fielen weg. In der schriftlichen Fassung musste man sich festlegen, Dinge wurden festgeschrieben und wurden unveränderlich (wenn man davon absieht, dass in unterschiedlichen Ausgaben der Hausmärchen der Brüder Grimm in einigen Texten Anpassungen vorgenommen wurden). Und bei diesen Festlegungen floss natürlich auch der eigene Geschmack der Verfasser ein. Die Brüder glätteten, passten an, veränderten. Rolf-Bernhard Essig geht in seinem Buch auf solche Aspekte immer wieder ein. Er listet nicht lediglich Redewendungen auf und erklärt, woher sie kommen. Was übrigens nicht ausschließlich die Märchen der Brüder Grimm sind, jedoch weit überwiegend.

Und wenn sie nicht gestorben sind …

Mit seinen rund 160 Seiten ist das Büchlein recht schnell zu lesen. Aber ehrlich gesagt, war diese Seitenzahl auch ausreichend. Es ist interessant zu sehen, woher welche Redewendungen und Sprachbilder kommen. Bei vielen weiß man dies auch. Es ist ganz interessant, das einmal kompakt gezeigt zu bekommen. Auch die Ausführungen über die Arbeit der Brüder Grimm und anderer Märchensammler, die der Autor immer wieder einstreut, sind interessant. Aber irgendwann reicht es dann auch. Es ist sicher aufschlussreich, das Buch einmal zu lesen. Ein zweites Mal wird es wohl nicht auf meiner Leseliste landen. Aber zumindest bereue ich es nicht, mich damit befasst zu haben. Und aus künstlerischer Sicht sind natürlich die Illustriationen von Natašha Kaiser zu erwähnen. Diese holzschnittartigen Bilder gefallen mir ausgesprochen gut und sie werten das Buch auf jeden Fall auf.

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