Lernmythen aufgedeckt – warum dieses Buch in jede Lehrtasche gehört

Buch Lernmythen aufgedeckt

Ganz am Anfang meiner Tätigkeit als Dozent lernte ich die berühmte Lernpyramide kennen. Sie zeigt angeblich, dass wir nur zehn Prozent von Gelesenem, aber neunzig Prozent von Selbstgetanem behalten. Die Zahlen wurden mir als unumstößliche Wahrheit präsentiert – und ich habe sie zunächst geglaubt. Erst später stellte sich heraus: Diese Prozentwerte sind frei erfunden. Ein klassischer Lernmythos.

Genau solche Mythen nimmt sich Yvonne Konstanze Behnke in ihrem Buch Lernmythen aufgedeckt vor. Und schon beim Lesen des Vorworts hatte ich das Gefühl: Das passt zu mir. Denn Behnkes Weg ähnelt meinem. Sie hat Visuelle Kommunikation studiert und kam über die Arbeit mit Lernmaterialien zum Thema Lernen – eine biografische Parallele, die mir den Zugang zu ihrem Buch besonders leicht gemacht hat.

Vom Mythos zur Evidenz

Behnke arbeitet jeden Mythos nach einem klaren Schema auf: Der Mythos – Ursprung – Der Haken – Die Fakten – Der wahre Kern – Was funktioniert stattdessen? – Fazit.

Titelillustration Lernmythen aufgedeckt
Titelillustration Lernmythen aufgedeckt

Das ist nicht nur übersichtlich, sondern auch hilfreich. Denn es geht ihr nicht darum, Mythen einfach plattzumachen. Stattdessen zeigt sie, dass fast jeder Mythos einen Kern enthält, den man für die Praxis nutzen kann. So wird aus einem „Das stimmt nicht“ ein „So geht es besser“.

Mythen, die mir besonders nahegehen

Schon der erste große Mythos, die Lerntypen-Theorie, hat mich besonders angesprochen. Ich habe mich selbst schon ausführlich damit befasst und auch im Blog darüber geschrieben. Behnke zeigt sehr klar: Lerntypen sind wissenschaftlich nicht haltbar – und doch unglaublich verbreitet. Ihr Fazit: Vielfalt und Passung sind entscheidend, nicht starre Schubladen.

Ebenso spannend fand ich die Mythen rund um Visualisierungen:

  • „Ein Bild sagt mehr als tausend Worte“
  • „Unser Gehirn verarbeitet Bilder 60.000-mal schneller als Text“
  • „Grafiken versteht jeder“

Als Autor von Leichter lernen mit Sketchnotes & Co. wünsche ich mir natürlich, dass Bilder automatisch Wunder wirken. Behnke bleibt hier wohltuend nüchtern: Bilder können Lernprozesse unterstützen – aber nur dann, wenn sie didaktisch sinnvoll eingebettet sind.

Auch die 10.000-Stunden-Regel von Malcolm Gladwell hat mich nachdenklich gemacht. Nicht die magische Zahl macht den Meister, sondern gezieltes, reflektiertes Üben mit Feedback. Und bei Gamification zeigt Behnke treffend: Spielerische Elemente können Lernprozesse bereichern, sind aber kein Allheilmittel – ohne Bezug zu Lernzielen bleiben Punkte und Ranglisten bloße Spielerei.

Fernglas auf die Lernmythen
Fernglas auf die Lernmythen

Wissenschaftlich fundiert – und trotzdem leicht zu lesen

Das Buch ist gründlich recherchiert und wissenschaftlich fundiert – aber dennoch leicht und locker zu lesen. Behnke gelingt die seltene Mischung aus Tiefe und Verständlichkeit.

Ein kleiner Kritikpunkt: Viele Kapitel enden mit der Feststellung, dass man nichts pauschalisieren kann, sondern den Kontext berücksichtigen muss. Das stimmt zwar, wiederholt sich aber beim Lesen. Andererseits macht gerade das die Kapitel modular nutzbar – man kann jederzeit gezielt den Mythos nachschlagen, der gerade relevant ist.

Warum das Buch wichtig ist

Für mich ist Lernmythen aufgedeckt inzwischen eine Argumentationshilfe. In Dozentenfortbildungen oder Seminaren tauchen Mythen immer wieder auf – sei es die Lernpyramide, die 7-38-55-Regel oder die angebliche Harvard-Studie zum Erfolg durch Zielaufschreiben. Mit Behnkes Buch habe ich nun eine fundierte Grundlage, um sachlich und konstruktiv gegenzuhalten.

Gerade weil viele Mythen aus bester Absicht heraus verbreitet werden, ist diese Mischung aus kritischer Prüfung und dem Hinweis ‚Was funktioniert stattdessen?‘ so wertvoll – ein Thema, das ich auch in meinem Artikel Warum viele Lernmethoden versagen aufgegriffen habe.

Titel: Lernmythen aufgedeckt

Mein Fazit

Ich halte Lernmythen aufgedeckt für Pflichtlektüre für alle, die mit Unterricht, Training oder Lehre zu tun haben – ob Dozent:innen, Trainer:innen oder Studierende. Aber auch Lernende selbst profitieren, weil sie Mythen schneller erkennen und sich nicht von scheinbar plausiblen Zahlen oder Anekdoten blenden lassen.

Für mich ist dieses Buch ein echter Gewinn: wissenschaftlich sauber, praxisnah, angenehm zu lesen – und ein starker Begleiter im Alltag. Ich weiß jetzt schon, dass ich es in meinen eigenen Workshops und Diskussionen immer wieder zur Hand nehmen werde.

Eine klare Empfehlung – und ein Buch, das in keiner Lehrtasche fehlen sollte.


Lernmythen aufgedeckt: Wie wissenschaftliche Evidenz effektives Lernen und Praxistransfer im Unternehmen fördert
Yvonne Konstanze Behnke

Haufe Fachbuch

Mai 2025
Seitenzahl der Print-Ausgabe: 180 Seiten
ISBN-10: 364818394X
ISBN-13: 978-3648183946
Abmessungen: 17,2 x 1,5 x 23,1 cm

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