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Wer Wind sät, soll Wissen ernten

Am besten lernen Schüler aus realen Projekten. Solche zu finden und dann auch noch durchzuführen, ist für Lehrer eine große Herausforderung.

Das Pictorius Berufskolleg in Coesfeld hat nun ein spannendes Projekt zum Thema Windenergie gestartet. Schülerinnen und Schüler entwickeln hierbei neue Ideen für eine nachhaltige Energieversorgung. „Windkraftkunst im Kornfeld“ ist sowohl technologisch als auch künstlerisch-gestalterisch ausgelegt. Die Ergebnisse werden im Rahmen der Regionale 2016 im westlichen Münsterland der Öffentlichkeit präsentiert. Die Installation soll aus möglichst vielen Mikro-Windanlagen bestehen.

Windkraft
Windkraft

An dem ausgeschriebenen Wettbewerb können sich alle Schüler der Region beteiligen. Um eine Chance auf den Sieg zu haben, müssen sich die Schüler Wissen über die Energieerzeugung per Windkraft und Rotorformen erarbeiten. Hierfür ist jedoch nicht nur technisches Wissen und Einfühlsamkeit in Nachhaltigkeit, sondern auch künstlerisches Gespür gefragt. Es sind also alle Motivationsfelder für das Lernen angesprochen.

So können nur alle gewinnen: Die Schüler Kenntnisse, Fähigkeiten und im besten Falle einen Preis. Die Energiewirtschaft neue Erkenntnisse und Ideen. Und die Natur weitere Begeisterte für naturschonende, nachhaltige Projekte.

Derzeit sucht das Projekt Unterstützung auf der Crowdfunding-Plattform www.ecocrowd.de. EcoCrowd ist als Teil der Deutschen Umweltstiftung, der größten und ältesten Bürgerstiftung in der Bundesrepublik, ausschließlich auf nachhaltige Projekte fokussiert.

Für den Erfolg des Projektes ist die Öffentlichkeitsarbeit von großer Bedeutung.

„Wir gehen davon aus, dass je eher sich junge Menschen mit Möglichkeiten der Technologie und Gestaltung unserer Umwelt aktiv beschäftigen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass sich in Zukunft gemeinsam gute und nachhaltige Lösungen für die Gestaltung unseres Lebensraumes entwickeln lassen.“ – Markus Wengrzik und Herbert Thesing, Projektkoordination am Pictorius Berufskolleg Coesfeld

Die Schülerinnen und Schüler sind für jede Unterstützung dankbar und freuen sich, wenn sich mit Ihrer Hilfe weitere Interessenten finden lassen.

Alle sind herzlich eingeladen die Projektseite zu besuchen.

https://www.ecocrowd.de/en/projects/16578-Windkraftkunst-im-Kornfeld

„Windkraftkunst im Kornfeld“ hat auch eine eigene Facebook-Seite.

https://www.facebook.com/pages/Pictorius-WindKRAFT/806648462718490?fref=ts

So macht Lernen Spaß und verspricht Erfolg (und nicht nur den direkten Lernerfolg). Ich würde mich freuen, wenn das Projekt genügend Spender fände.

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Warum viele Lernmethoden versagen

Eine amerikanische Studie beschäftigte sich mit der Effektivität von Lernmethoden: Von Unterstreichen von Textpassagen, über das Schreiben von Zusammenfassungen bis hin zum Lösen von Aufgaben. Welche Methoden sind beliebt? Und wie effektiv sind sie?

Amerikanische Psychologen bewerteten in einer Studie insgesamt zehn Lernmethoden. Es gibt sicher noch mehr Methoden. Die Forscher beschränkten sich jedoch bewusst, damit die Studie durch ihre Übersichtlichkeit auch praktische Relevanz besitzt. Es fanden bei Lernenden beliebte Methoden Eingang, aber auch solche, bei denen bereits absehbar war, dass sie gut funktionieren. Die Forscher führten keine eigenen Tests durch, sondern stellten vorhandenes Material zusammen.

Gerade die bei Lernern beliebtesten Methoden schnitten jedoch eher schlecht ab:

Markieren
Markieren

Markieren und Unterstreichen

Diese Methode ist bekannt und beliebt. Mit Leuchtmarkern hebt der Lerner die Schlüsselwörter eines Textes hervor. Diese Methode ist leicht einzusetzen und benötigt kaum mehr Zeit als reines Lesen. Bei reinen Faktentexten hilft sie ein wenig, jedoch ist die Eigeninitiative der Lerner gering und es wird häufig viel zu viel angestrichen. Insgesamt empfehlen die Forscher diese Methode nicht.

Zusammenfassungen schreiben

Hierbei ist die eigene Leistung des Lerners deutlich höher als beim Markieren und Unterstreichen. Häufig enthalten die Zusammenfassungen jedoch nicht die Kernaussagen. Das Schreiben von guten Zusammenfassungen ist eine Kunst! Der Aufwand, der zunächst in das richtige Erlernen der Technik gesteckt werden muss, und der Zeitaufwand der Technik selbst rechtfertigt nicht die Ergebnisse.

Zusammenfassungen schreiben
Zusammenfassungen schreiben

Wiederholtes Lesen

62 Prozent der College-Studenten lesen während ihrer Lernphase Texte oder Textabschnitte mehr als einmal. Der erwünschte Erfolg bleibt jedoch meistens aus. Das wiederholte Lesen hat einen Einfluss auf den Lernerfolg. Der Lerneffekt insgesamt ist geringer als bei anderen Lernmethoden und der Zeitaufwand, der für das erneute Lesen nötig ist, steht meist in keinem Verhältnis zum Mehrwert.

Schlüsselwort-Mnemonik

Es gibt sehr viel Material zu dieser Methode. Daher beschränkt sich die vorliegende Studie auf den Einsatz für das Erlernen fremdsprachlicher Vokabeln und das Lernen von Textmaterial. Die Technik besteht darin, sich zu einem zu merkenden Wort ein einprägsames, gedankliches Bild zu machen, das ähnlich wie das Zielwort klingt.

Untersuchungen in realen Situationen erbrachten indifferente Ergebnisse bei verschiedenen Gruppen. Außerdem sei das Konstruieren von geeigneten Schlüsselwörtern und das Erlernen der Technik sehr zeitaufwändig. Daher empfehlen sie auch diese Technik nicht.

Schlüsselbild-Mnemonik
Schlüsselbild-Mnemonik

Bildhaftes Lernen

Beim Bildhaften Lernen stellt man sich zu dem zu lernenden Stoff mentale Bilder vor. Die Methode hat durchaus einen positiven Effekt. Dieser wird jedoch durch reales Aufzeichnen der Bilder gestört. Das Erzeugen von mentalen Bildern ruft einen besseren Lerneffekt hervor, wenn die Texte gehört, statt selbst gelesen werden. Die Ergebnisse mit unterschiedlichsten Lernern sind sehr gemischt. Das Erinnerungsvermögen wird durch diese Methode verbessert, nicht jedoch das Textverständnis. Auch waren die Erfolge stets stark vom zu lernenden Textmaterial abhängig. Die Methode scheint besser bei Texten zu funktionieren, die sich leicht in Bilder umwandeln lassen. Insgesamt empfehlen die Wissenschaftler diese Methode nicht.

Im Mittelfeld lagen die folgenden Methoden:

Erklärung hinterfragen

Bei dieser Methode geht der Lernende mit „Warum-Fragen“ an den Text heran. Dies bewirkt einen hohen Lerneffekt, da durch die Frage bekannte Schemata aufgerufen und das Neue mit Bekanntem verknüpft, oder von ihm abgegrenzt und eingeordnet wird. Die existierenden Studien beziehen sich eher darauf, gelernte Fakten abzurufen, wie gut das Gelernte frei eingebunden wird oder wie hoch der Verständnisgrad ist, wurde bisher kaum untersucht. Auch Ergebnisse über Langzeiteffekte fehlen.

Bisher wurde der Effekt vor allem in Laborumgebung getestet. Für die Technik spricht, dass sie einfach zu erlernen und einzusetzen ist; zumindest beim Lernen von klar begrenztem Faktenwissen. Wird das Lerngebiet umfangreicher und komplexer, ist häufig nicht klar, welche „Warum-Fragen“ sinnvoll zu stellen sind.

Sachverhalte selbst erklären

Die Methode „Sachverhalte selbst erklären“ ist der Methode „Erklärung hinterfragen“ sehr ähnlich. Die Fragestellungen unterscheiden sich. Während „Erklärung hinterfragen“ auf konkrete, beschränkte Sachverhalte eingeht, geht es bei „Sachverhalte selbst erklären“ eher um die größeren Zusammenhänge. Die Methode eignet sich scheinbar für die verschiedensten Materialien: Von mathematischen Themen bis hin zu Textarbeit scheint sie positive Lerneffekte zu erzeugen. Ebenso sind die Ergebnisse positiv über die unterschiedlichen Prüfungsverfahren hinweg: Egal ob Multiple Choice, freies Erinnern, gestütztes Erinnern. Auch hier fehlen Erkenntnisse über Langzeiteffekte. Auch wurde die Brauchbarkeit in realem Umfeld kaum getestet.

Verschachteltes Üben

Beim verschachtelten Üben werden in einer Lernsession verschiedenartige Lerninhalte zusammengefasst, was zunächst bei den einzelnen Lernsessions zu schlechteren Ergebnissen führt. Das verschachtelte Üben kann nicht direkt beginnen. Bevor man mit dem Wechsel von Lernblöcken beim Üben anfangen kann, muss ein gewisses Grundwissen vorhanden sein. Verschachteltes Üben existiert kaum in Reinform, sondern tritt meist in Kombination auftritt. Es scheint bei Themen besser zu funktionieren, die eher konzeptbasiert sind oder mehr Transfer benötigen. Bei reinen Lernthemen schnitt das verschachtelte Üben häufig nicht besser ab als andere Methoden.

Positiv bewertet: Für erfolgversprechend und damit empfehlenswert halten die Forscher lediglich zwei der zehn Methoden:

Lösen von Aufgabenstellungen

Es gibt zahlreiche Untersuchungen zu dieser Lerntechnik. Die Ergebnisse waren durchweg positiv. Das gezielte Lösen von Aufgabenstellungen aktiviert das Gehirn und sorgt für eine Verankerung des Stoffs: Reflexionsfragen, die es häufig am Ende eines Lernkapitels gibt, das immer häufiger zusätzlich angebotene digitale Testmaterial, selbsterstellte Test und besonders Altklausuren. Erhält der Lerner bei den (Selbst)Tests in der Lernphase Feedback über Richtigkeit der gegebenen Antworten, steigert dies den Effekt noch einmal deutlich.

Verteiltes Üben
Verteiltes Üben

Verteiltes Üben

Häufig lernen Schüler und Studenten „auf den letzten Drücker“ und versuchen dann, alles Wissen in kurzer Zeit aufzunehmen. Dass dies nicht effektiv ist dürfte jedem klar sein. Sinnvoller ist, den Lernstoff in kleinere Einheiten aufzuteilen. Und es ist günstiger, längere Pausen – von bis zu mehreren Tagen – zwischen den einzelnen Lernthemen einzulegen. Das größte Problem in der Praxis dürfte sein, dass die Lernmaterialien (in Schulen) selten so aufgebaut sind, dass sie verteiltes Lernen unterstützen. Hierzu müssten bereits in den Büchern Wiederholungsschleifen eingebaut sein.

Insgesamt bewerten die Autoren diese Methode des Lernens als sehr effektiv.

Folgerungen für Lernende, Lehrer und Lernleistungen

Diese Untersuchung soll einen Überblick über Lerntechniken und ihre Nützlichkeit geben. Viele Lerner kennen keine unterschiedlichen Methoden und/oder können ihre Nützlichkeit nicht beurteilen. Daher verwenden sie oft wenig geeignete Methoden.

Auch viele Lehrer kennen diese Methoden nicht. Es herrscht immer noch die Ansicht vor, dass Wissen vermittelt wird. Dass der Lehrer also Wissen hat, das er lediglich von sich geben muss. Aber die Art und Weise, WIE es vermittelt werden soll, wird viel zu wenig beachtet und den Lehrern beigebracht.

Hier sind die Lehrer gefragt, sich selbst weiterzubilden. Sie sollten Schüler immer wieder darauf aufmerksam machen, sie ermuntern, geeignete Lerntechniken anzuwenden. Aber sie sollten sie auch darin anleiten und die Lerntechniken aktiv im Unterricht einsetzen.

Nicht alle Lernmethoden sind für alle Lerner gleichermaßen geeignet. Auch sollten sie sich nicht durch schlechte Bewertungen einzelner Methoden in dieser Studie abschrecken lassen. Nur weil eine Methode „universell betrachtet“ schlecht abgeschnitten hat, bedeutet das nicht, dass sie für einen bestimmten Lerner und für einen bestimmten Sachverhalt auch ungeeignet ist. Dies gilt es jeweils im Einzelfall zu betrachten.

Durch die bewusste Auseinandersetzung mit diesem Thema können Lernende die für sie geeigneten Strategien entwickeln. Diese Studie kann ein guter Ausgangspunkt dafür sein.

[hr]

Die Originalstudie ist über 40 Seiten lang. Meine Übersetzung und Zusammenfassung ist zwar deutlich kürzer, aber immer noch zu lange für einen Blogbeitrag. Bei Interesse habe ich das Dokument jedoch als PDF hinterlegt.

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Von Klausuren und Lernen

Montag, 9.3.15, 13:30 Uhr, Friedrich-Alexander-Universität in Nürnberg. Gebäude der Wirtschaftswissenschaft. Im Gang vor Hörsaal 1.

Es ist ziemlich still. Nachmittags, kurz

vor zwei ist nicht gerade der große Run auf Vorlesungen. Einige leicht ängstlich dreinblickende Menschen drücken sich auf dem Gang vor dem Hörsaal herum. Einige starren vor sich hin. Einige schauen noch einmal in die Unterlagen der Fernuni Hagen.

Auch ich bin da. Ich gehöre eher zu den Starrern. Meine Unterlagen habe ich gar nicht erst dabei. Die werden mir jetzt in der Prüfung auch nichts mehr nützen. Lässige Angespanntheit. Ich mache mir nicht viel Hoffnung, die Prüfung schaffen zu können. Ich hatte mich bewusst dafür entschieden, vor allem auf die Klausur aus Modul 1A zu lernen. Und die lief in der vorangegangenen Woche ganz gut. 1B hatte ich in den Wind geschrieben. Lieber eine sicher schaffen, als dann beide zu verhauen.

Die Metalltür geht auf. Wir dürfen rein. Ein relativ kleiner Hörsaal. Platz für 200 bis 300 Studenten? Ich bin schlecht darin, so etwas abzuschätzen. Wie im Kino die Sitzplätze treppenförmig angeordnet. Wie auch schon in der Woche zuvor freie Platzwahl. Zumindest für alle Nicht-Psychologen. Den Psychologen sind die Plätze mittels roter Zettel zugewiesen. Auch diesmal stellen die Psychologen die deutliche Mehrzahl der Prüflinge.

Auch diesmal wieder unbequeme, gelb lackierte Holzklappsitze und Holzklapptischchen. Egal. Es ist für maximal vier Stunden. Ich suche mir einen Platz mittig, rechts außen. Dann kann man auch mal auf die Toilette, ohne fünf Leute aufscheuchen zu müssen.
Ich richte mich häuslich ein. Wasserflasche. Bananen. Studentenfutter. Schreibzeug. Dann hole ich mir unten bei der Prüfungsaufsicht meine Unterlagen, einen beigen C4-Umschlag mit orangem Streifen, und begebe mich zurück auf meinen Platz. Da ich nichts zu verlieren habe und auch nicht glaube, gewinnen zu können, bin ich ruhig.

Friedrich-Alexander-Universität
Friedrich-Alexander-Universität

Schlusspunkt des Semesters

Dies ist der Schlusspunkt meines ersten Semesters. Es lief ganz anders ab, als ich das erwartet hatte. Viel zu lange hatte ich gebraucht, bis ich endlich meinen Rhythmus gefunden hatte, bis ich wusste, wie ich das Ganze angehen soll. So ein geisteswissenschaftliches Studium ist etwas anderes als ein Design-Studium und noch einmal ganz anders als ein naturwissenschaftliches Studium.

Der erste Knackpunkt war das Verstehen der Texte. Teilweise sind diese in einer schrecklichen Sprache verfasst: Hauptsatz, zig Nebensätze, Einschubsätze, Fußnoten, Verweise. Man weiß am Ende des Satzes nicht mehr, was am Anfang stand. Und dann ständig – größtenteils völlig überflüssige – Fremdwörter. Wissenschaftssprache ist ja in Ordnung, teilweise ist sie sicher auch nötig, um möglichst eindeutig und präzise zu beschreiben. Aber vielfach ist es meines Erachtens einfach das Unvermögen der Autoren, sich klar auszudrücken. Aber egal. So sind nun einmal die Texte. Und die gilt es zu lesen und möglichst zu verstehen.

Für mich fand ich dann ein zweistufiges System: Ich sprach erst alle Skripte komplett als Hörbücher ein. Danach begann ich, die Inhalte herauszuarbeiten, bei den ersten Kapiteln als Mindmaps, später als Sketchnotes; mal mit mehr grafischen Umsetzungen, mal mit weniger.
So verrückt oder übertrieben es auch klingt, nicht nur Zusammenfassungen, sondern die kompletten Skripte zu vertonen, mir hat es extrem geholfen. Beim stillen Lesen schweiften meine Gedanken immer wieder ab. Ich konnte mich teilweise kaum aufraffen, einen Text durchzulesen. Anders beim Lautlesen. Hier wurde das Lesen zu einem mechanischen Vorgang. Und ich hatte danach etwas quasi Anfassbares in Händen, nämlich eine Audiodatei. Und anhand derer konnte ich genau meinen Fortschritt sichtbar machen. Ein weiterer positiver Effekt war, dass ich diese Audiobooks dann außerhalb meiner offiziellen Lernzeit anhören konnte: Beim Sport, bei längeren Autofahrten. Keine besonders intensive Beschäftigung mit dem Stoff, aber doch immer wieder ein bisschen.
Der zweite Schritt, das Umsetzen in Mindmaps oder Sketchnotes war dann wichtig für das Verständnis. Ich stellte es auch immer wieder beim Anhören der Audiobooks fest. Hatte ich ein Kapitel „grafisch“ umgesetzt, hatte ich den Inhalt verstanden, konnte ich dem Hörbuch viel besser folgen. Es hatte dann nochmal einen sehr hohen Lerneffekt.
Zentrale Passagen, Übersichten, tabellarische Aufstellungen, Definitionen zog ich mir dann immer wieder heraus und schrieb/zeichnete sie auf DIN-A5-große Zettel, die ich überall in der Wohnung aufhängte. Jedes Mal, wenn ich an einem solchen Zettel vorbeikam, schaute ich darauf. So konnte ich im Vorbeigehen einiges mitnehmen, vertiefen, wiederholen.

Diese Lerntechniken waren mir alle schon bekannt. Die Reihenfolge war für mich das Entscheidende. Am Anfang des Semesters schaffte ich es einfach nicht, mich regelmäßig hinzusetzen und zu lernen. Das war der wesentliche Punkt. Ich musste eine Möglichkeit finden, mich regelmäßig hinzusetzen. Und da half mir eben das Hörbucheinsprechen. Das laut Sprechen war deutlich angenehmer als das leise Lesen. Es machte mir dann irgendwann richtig Spaß. Und das ist das entscheidende. Irgendwie muss man es erreichen, dass einem das Lernen, oder ein Teilaspekt davon Spaß macht. Denn dann setzt man sich regelmäßig hin und es es nicht nur eine Qual, man muss sich nicht selbst dahin prügeln. Aber genau dieses „den Spaßfaktor rauskitzeln“ hat einige Zeit bei mir gedauert.

Planung

Weiter war wichtig, eine solide Planung zu machen. Auch das lernte ich im Laufe des Semesters. Anfangs nahm ich mir zu viel vor. Und das Nicht-Schaffen demotivierte mich, so dass ich dann noch weniger schaffte.

Außerdem half es mir, möglichst konkret in der Planung zu sein. „Zehn Seiten“ ist einfach nicht so griffig wie „Teilkapitel 2.1 über Bourdieus“. Auch schrieb ich gegen Ende nicht nur auf, wie viel ich schon geschafft hatte, sondern wie viel ich noch vor mir habe. Gerade als dann die Hälfte überschritten war, hat das unheimlich motiviert. Auch hier war wieder das Sichtbarmachen des Fortschritts wichtig. Ich wollte möglichst viele grüne Haken und möglichst wenig rote Kreuze in meinen Checklisten.

Der nächste Aspekt war dann das gemeinsam Lernen. Ich wollte das gern schon während des Semesters, aber das hat nie geklappt. In der Klausurphase fand ich dann endlich Anschluss. Die Treffen liefen über Skype. Anfangs war ich etwas skeptisch, aber das klappte wirklich super. Kann ich nur empfehlen. Wir trafen uns ein-, zweimal pro Woche ein, zwei Stunden, sprachen ein konkretes Kapitel durch. Später teilten wir es uns auf und jeder stellte dem anderen ein Kapitel vor, das er vorbereitet hatte. Ich weiß, auch das ist absolut nichts Neues. Aber es einfach zu tun half. Hier kommt der soziale Aspekt zum tragen. Man verpflichtet sich jemand anderem und überwindet den inneren Schweinehund.

Ich hatte Glück. Meine Lernpartnerin und ich waren auf einem ähnlichen Niveau; außerdem hat es auch von der Chemie gestimmt. Es machte Spaß. Zwei Faktoren, die man nicht unterschätzen sollte. Zum einen glaube ich, dass die Zweiergruppe eine viel bessere Variante als eine größere Gruppe ist. Zum anderen ist die Sache mit dem Niveau unheimlich wichtig. Wir haben uns gegenseitig unterstützt und nicht dem anderen demonstriert wie toll wir sind und wie schlecht der andere ist.

YouTube

Ein weiterer Faktor war noch YouTube. Auch das keine neue Erkenntnis. Aber auch hier: Man muss es einfach tun. Es gibt auf YouTube fast alles. Zu den allermeisten Kapiteln im Skript fand ich etwas. Klar sind die Videos nicht erschöpfend. Aber mehr als ein Mal haben sie mir den Einstieg in ein Thema gebracht oder auf ganz einfache Weise erklärt, was im Skript unnötig kompliziert stand.
Zu guter Letzt Stichwort Lernjournal. Ich begann, in einer geschlossenen Gruppe ein Lernjournal zu führen, also aufzuschreiben, was ich für den einzelnen Tag geplant hatte und was tatsächlich passierte. Dies hat zweierlei Effekt: Zum einen musste ich recht genau planen, was ich vorhatte zu lernen. Zum anderen war dort dann zu lesen, was ich tatsächlich gemacht hatte. Allein das hilft schon, den Überblick zu bewahren und zu sehen, wie gut man vorankommt, wo die Schwierigkeiten liegen. Allerdings darf man auch den sozialen Aspekt nicht vergessen. Man hält das nicht für sich allein fest, sondern auch andere schauen darauf, geben unterstützende oder auch mal kritische Kommentare.

Alles in allem fand ich – wenn auch sehr spät – meinen Rhythmus und ich fiebere schon richtig dem neuen Semester entgegen. Jetzt weiß ich, wie es (für mich) geht und ich werde es vom ersten Tag an einsetzen.

Hörsaal 1
Hörsaal 1

Die Klausur beginnt. Ich lese mir einige der Fragen durch und bin erstaunt, auf wie viele mir sofort etwas einfällt. Sollte ich vielleicht doch eine Chance haben? Keine Frage, zu der mir nicht wenigstens ein bisschen was einfällt. Erstaunlich.

Jetzt, drei Wochen später warte ich auf die Ergebnisse, warte auch auf die neuen Skripte. Habe ich beide Klausuren geschafft? Nur eine? Welche Noten werde ich haben. Wir werden sehen. So oder so. Das nächste Semester beginnt und ich bin guter Dinge, es diesmal besser zu machen.

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Learntec 2015 – Doping fürs Gehirn?

Vor wenigen Stunden schloss die Learntec in Karlsruhe ihre Pforten. Drei Tage rund ums Thema Lernen und digitale Medien gehen zu Ende. Was gibt es Neues in der Szene?

Nachdem ich letztes Jahr mit meinem Besuch der Leitmesse für E-Learning und Co. pausierte, wollte ich mich dieses Jahr wieder auf den Stand der Dinge bringen und mich ideen- und motivationsmäßig wieder einmal „dopen“. Aber so richtig erfüllt und inspiriert mache ich mich diesmal nicht auf den Nachhauseweg.

Bereits auf der Hinfahrt lief es alles andere als rund. Es gab Probleme auf der Bahnstrecke und so kam ich mit eineinhalb Stunden Verspätung in Karlsruhe an. Dort klappte dann jedoch alles wie gewohnt bestens. Aus dem Zug raus, in den Shuttlebus rein. Und dort direkt in die Messe. Ein Lob an die Learntec-Organisatoren. Nicht nur der Shuttleservice, auch alles andere läuft reibungslos professionell.

Inhaltlich war es für mich dieses Mal nicht ganz so spannend. In den zwei Jahren hat sich meines Erachtens nicht so viel getan. Viele Aussteller kannte ich bereits vom letzten Mal, teils war ihr Stand sogar an der gleichen Stelle. Nett war mein Messeabschluss, zu dem ich Nicola Appel von Articulate persönlich traf. Wir standen in letzter Zeit über Twitter öfter in Kontakt. Ich finde es immer wieder spannend, wie sich virtuelle und reale Welt miteinander vernetzen und man vom einen in den anderen Raum überwechselt. Ich drücke Articulate die Daumen, die mit ihrem Produkt Storyline 2 Adobes Captivate etwas entgegensetzen; macht einen sehr soliden Eindruck.

Vortrag „Das 3-R-Axiom“
Vortrag „Das 3-R-Axiom“

Die Vorträge fand ich dieses Mal schwächer. Zwei möchte ich jedoch herausheben: Der Vortrag von Michael Gobran im Anwenderforum „Das 3R-Axiom“. Sicher wollte er damit die Produkte und Leistungen seiner Firma Mindsetter AG promoten. Aber dies machte er zugegebenermaßen sehr spannend und unterhaltsam. Und der 3-R-Ansatz lässt sich auch durchaus losgelöst von seinen Produkten umsetzen. Er stellte uns die Botschaft oder das zu Lernende als den Charakter „SAM“ (smart, applicable/anwendbar, memorable/erinnerbar) vor, der dagegen ankämpft, vergessen zu werden. Die drei (plus eins) R sind Reduce, Relate und Reflect (+ Re-Engage). Die Software hilft dabei, diese Reduktion auf wenige Kernaussagen zu vollziehen, versucht durch Fragen die Verbindung, die Relation herzustellen und den Lerner zur Reflexion anzuregen. Und schließlich versucht sie, den Lernenden durch Erinnerungen immer wieder zur Auseinander mit dem Lernstoff zu motivieren.

Vortrag Hirndoping
Vortrag Hirndoping

Der zweite erwähnenswerte Vortrag war der von Prof. Dr. Dr. Dr. Felix Tretter. Und: Ja. Er trägt tatsächlich drei Doktortitel; und diese in drei unterschiedlichen Feldern (Psychologie, Politik und Medizin). Mir waren seine PowerPoint-Folien zu viel, zu voll, zu schlecht gestaltet und der Vortrag ein vollgepackter Schweinsgalopp durch das Thema „Besser Lernen durch Gehirndoping?“. Ich tat mir echt schwer, eine Sketchnote des Vortrags anzufertigen; teilweise nicht so toll strukturiert, vielfach einfach zu schnell. Aber Herr Tretter ist ein hochintelligenter, interessanter Mensch, der etwas zu sagen hat und da verzeiht man ihm solche Präsentationsform-Schwächen gern. Ja, es gibt Lerndoping. Es birgt Suchtgefahr. Und es ist nicht genau planbar. Der Vortrag war ein schöner analoger Kontrast zu all den digitalen Themen der Learntec.

Learntec: Spinner-Suite
Learntec: Spinner-Suite

Ein Angebot gefiel mir noch besonders gut, auch wenn ich keine Gelegenheit hatte, aktiv teilzunehmen: Die Spinner-Suite. Laut Programm läuft sie bereits zum elften Mal. Das letzte Mal war sie mir nicht aufgefallen. Aber diesmal hatte sie einen guten, auffälligen Platz bekommen. Wie die handgeschriebenen Plakate sagen: „Wir verkaufen nichts. Wir vernetzen Ideen.“ – Und das ganz analog. Barcamp und Speed-Dating-Formate. Spannend.

Learntec: Spinner-Suite
Learntec: Spinner-Suite

Insgesamt fahre ich also doch positiv gestimmt nach Hause. Und werde wohl in spätestens zwei Jahren wieder nach Karlsruhe fahren.

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Wer kann schon mit 140 Zeichen das Bildungssystem reformieren?

Screenshot Twitterchat #EDchatDE

Gestern Abend, 20:18 Uhr. Schnell noch einmal in Twitter schauen.  Seltsame Nachrichten flattern da herein. Einige beginnen mit A3, A4. Irgendwie geht es um Bildung. Das ein oder andere scheint sich aufeinander zu beziehen.

Screenshot Twitterchat #EDchatDE
Screenshot Twitterchat #EDchatDE

Das sieht spannend aus. Moment mal. Alle diese Tweets tragen den Hashtag #EDchatDE. Also irgend etwas Organisiertes. Google weiß die Antwort: Was hier gerade vor meinen Augen passiert, ist die deutsche Form des seit 2009 laufenden Amerikanischen Twitter-Chats EDchat. Bildungsmenschen, Lehrer, Bildungsinteressierte diskutieren hier eine Stunde lang jeden Dienstag über ein zuvor gemeinsam festgelegtes Bildungsthema. Es werden zu diesem Thema im Vorfeld rund sechs bis sieben Fragen abgesprochen, die zu fest vorgegebenen Uhrzeiten „bearbeitet“ werden.

Zum einen stellt das Medium Twitter eine Beschränkung dar: In 140 Zeichen lassen sich Argumente nur sehr scherenschnitthaft austauschen. Zum anderen wird man wortwörtlich im Sekundentakt mit Argumenten, Antworten, Fragen und Provokationen bombardiert.

Das Bildungssystem reformieren?

Blog zu #EDchatDE
Blog zu #EDchatDE

Zum Glück dauert das Ganze nur eine Stunde, denn es ist ganz schön anstrengend, in dieser schnellen Taktung und Masse die Informationen zu verarbeiten und dann auch noch selbst etwas beizutragen.

Sicher, aufgrund des Formats kann hier weder das Bildungssystem reformiert werden, noch Themen tiefgehend ausdiskutiert werden. Aber es ist spannend, so viele Interessierte und kluge Köpfe zu einem bestimmten Zeitpunkt zusammenzubringen. So eine Art Blitz-ThinkTank. Interessant. Ich werde sicher ab und zu mitmachen.

Kopf durchblasen. Neue Ideen und Gedanken sammeln. Ich kann es nur empfehlen. Ich hoffe, es sind wieder so spannende Themen dabei wie gestern: „How do we move away from a culture of “control” in schools?“. Wer mitmachen oder sich einfach informieren möchte:

https://edchatde.wordpress.com

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Lernen und Kreativität

Lernen und Kreativität

Unser Verständnis von Lernen hat sich in den letzten Jahren massiv verändert. Viele Aspekte wurden zwar bereits früher erkannt, allerdings werden sie heute differenzierter betrachtet. Zusammenhänge, die vorher lediglich vermutet wurden, werden nun durch die Hirnforschung wissenschaftlich belegt. Sei es der Einfluss von Emotionen auf unser Lernverhalten, oder die Wirkungsweise von Wiederholungen; auch das Thema, wie Wissen eigentlich in uns entsteht. Während man früher eher davon ausging, dass Wissen von einem auf einen anderen übertragen werden könne, indem der Lehrende sie „richtig“ vermittelt, dass also die Aufnahme des Wissens der entscheidende Punkt ist, sind heute die meisten Wissenschaftler davon überzeugt, dass Wissen im Kopf des Lernenden grundsätzlich neu konstruiert werden muss.

Konstruktivismus

Daher entstand auch der Begriff „Konstruktivismus“ im Zusammenhang mit Lernen. Wobei es nicht „den“ Konstruktivismus gibt. Auch hier haben sich inzwischen verschiedene Richtungen herausgebildet. Einen Link auf einen sehr interessanten – wenn auch recht langen – Artikel hierzu habe ich am Ende dieses Beitrags in die Linksammlung aufgenommen.

Gemeinsam ist jedoch den verschiedenen Richtungen, dass neues Wissen nicht einfach aufgenommen werden kann. Es muss mit Bekanntem, mit Vorhandenem in Verbindung gebracht und konstruiert werden. Vera F. Birkenbihl hat hierzu das Bild des Wissensnetzes geprägt, in das sich neue Informationen einhaken und so das Netz erweitern. Die zuvor fremden Informationen werden zu eigenen Informationen, das fremde Wissen zu eigenem. Es wird nicht übertragen, sondern entsteht neu – in ganz eigener Weise.

Was ist Kreativität?

Dieses Neu Entstehen finde ich spannend. Denn neu entstehen, neu schaffen ist ja auch der zentrale Aspekt bei der Kreativität. Jeder von uns hat seine eigene Idee darüber, was Kreativität ist. Und auch die Wissenschaftler sind sich da alles andere als einig. Ich will die unterschiedlichen Interpretationen hier nicht weiter vertiefen.

Am Ende dieses Artikels gibt es zwei Links zu diesem Thema. Der Blog Co&lumbus hat sehr schön verschiedene Definitionen von Kreativität aus den unterschiedlichsten Quellen zusammengetragen. Und auch der Artikel aus der FAZ zeigt (ebenfalls der Link dazu am Ende des Textes), dass wir weder eine allgemein gültige Definition besitzen, noch die Wissenschaftler genau wissen, was bei der Kreativität in unseren Gehirnen wirklich passiert. Sind wir alle prinzipiell gleich kreativ? Oder gibt es anatomische Unterschiede? Verändert die Kreativität unser Gehirn, oder haben wir unterschiedliche Gehirne, die uns mehr oder weniger kreativ sein lassen?

Design Thinking

Schließlich gibt es auch Trainer, die sagen, dass Kreativität lernbar ist. Es gibt erlernbare Techniken, mit denen jeder kreative Einfälle produzieren kann.

Dass Kreativität und Innovation produzierbar und handhabbar gemacht werden, ist auch der Ausgangspunkt für Design Thinking. Es gibt sogar Ansätze, nach denen Design Thinking für die Erziehung und Bildung nutzbar gemacht werden soll. IDEO entwickelte eigens ein Toolkit („Design Thinking for Educators“), um Erzieher, aber auch Schüler mit dem Thema Design Thinking zusammen zu bringen.

Viele Wissenschaftler sagen, dass unser Gehirn eher in Bildern (und Gefühlen) denkt; und zwar unabhängig vom Lerntyp. Kein Wunder also, dass beim Verstehen, aber auch beim Abspeichern, Methoden, welche mit grafischen Elementen arbeiten, hilfreich sind: Sketchnotes, MindMaps oder die KAWAs und KAGAs von Vera Birkenbihl.

Lernen und Kreativität
Lernen und Kreativität

Und bei diesen Methoden entstehen sofort wieder Assoziationen zur Kreativität. Denn häufig halten wir im Alltag jemanden, der Bilder und Grafiken erstellt, für kreativ. Und es stimmt ja auch: Wenn jemand ein Bild zeichnet, eine Skizze anfertigt, wird er selbst tätig, erschafft etwas. Und erschaffen ist Kreativität. Hilft also Kreativität beim Lernen? Ist Lernen Kreativität?

Interessanterweise scheint dieses Selbstgemachte auch nicht nur demjenigen zu helfen, der es selbst macht. Vergleicht man die hingekritzelten Erklärungen von Jörn Loviscach oder Marius Ebert mit perfekt gemachten Erklärvideos, so haben die handgemachten, nicht perfekten, erdigen, die Nase vorn. Ihre Erklärungen bleiben deutlich besser bei den Betrachtern im Gedächtnis, als die glatten und professionellen Filme. Dieses Selbstgemachte scheint unseren Gehirnen also weitaus mehr zu liegen. Auch scheint es wichtig, den Entstehungsprozess direkt mitverfolgen zu können.

Musik

Ein weiterer Bereich, der immer wieder mit Kreativität assoziiert wird, ist die Musik. Wir halten Musiker und Komponisten für kreative Menschen. Und ich denke, zu recht. Komponisten erschaffen neue Werke, schaffen Neues. Aber auch Musiker. Live gemachte Musik entsteht immer wieder neu, ist immer wieder anders. Sie entsteht im jeweiligen Augenblick. Und ein weiterer wichtiger Faktor: Musik erzeugt unmittelbar Gefühle.

Nun sagt die Hirnforschung, dass das Lernen eines Instrumentes viele positive Auswirkungen auf unser Denkorgan hat. Es erhält ihm die Flexibilität. Es hält unser Gehirn gewissermaßen jünger und denkfähiger. Und das Instrumentlernen hilft uns auch dabei, andere Dinge, die überhaupt nichts mit Musik zu tun haben, besser zu lernen.

Waren unsere Vorfahren also schlauer als wir, weil sie die Verbindung zwischen künstlerischer Ausbildung und (wissenschaftlichem) Wissen förderten? So war es zum Beispiel im Humanismus genauso wichtig, Instrumente und Sprachen zu beherrschen, zeichnen oder malen zu können, wie Kenntnisse in Mathematik, Physik und Geschichte. Dies zieht sich auch durch die englische Erziehung zum Gentleman.

Ich denke jedoch, dass dieses „sich gegenseitig befruchten“ der musischen mit den wissenschaftlichen Fächern eher ein Nebenprodukt war. Vielmehr war es das Nacheifern des antiken Ideals, was die Menschen bewegte. Es war geprägt durch das Menschenbild, das kulturelle Ideal. Und dennoch hat die Beschäftigung mit den musischen Disziplinen sicher beim Begreifen der anderen Disziplinen geholfen. Allerdings betraf diese Form der Bildung auch nur eine relativ kleine, gehobene Schicht. Arbeiter und Bauern konnten sich diesen Luxus nicht leisten; und sollten ihn sich auch gar nicht leisten können.

Kunst und Wissenschaft

In neuerer Zeit versucht man sich wieder daran, Kunst und Wissenschaft zu verbinden, man möchte die Kunst anzapfen und für die Wissenschaft nutzbar machen. Man sieht hier weniger den Aspekt des besseren Lernens, als vielmehr den Nutzen der Kreativität, um Innovationen hervorzubringen. Durchaus legitim. Wenngleich gute Wissenschaftler schon immer sehr kreative Köpfe waren. Wissenschaftler wurden nie dadurch bekannt, dass sie besonders viele Fakten wussten, sondern dadurch, dass sie die Wissenschaft durch neue Gedanken und Ideen voranbrachten, oder gar die Welt veränderten.

Interessant finde ich, dass man trotz all dieser Kenntnisse, dies nicht in dem Bereich nutzt, in dem unser Nachwuchs trainiert wird: In den Schulen. Nicht nur, dass nur ganz selten die Verbindung zwischen künstlerischen und anderen Fächern gesucht wird, um Lernprozesse zu verbessern. Nein. Im Gegenteil. Viele belächeln Musik und Kunst als so genannte weiche Schulfächer und würden diese am liebsten als unnütz und unproduktiv gleich ganz aus dem Lehrplan eliminieren oder sie zumindest als erste opfern, wenn es darum geht zu straffen und Stunden einzusparen. Wahrscheinlich sind aber genau die Eltern, die so etwas fordern, diejenigen, die ihrem Kind schon im Mutterleib Mozart vorgespielt haben, weil sie gehört haben, dass dies die Intelligenz steigert.

Trotz allem gibt es immer wieder vielversprechende Ansätze, bei denen genau diese Verbindung zwischen künstlerischer Betätigung und normaler Lehre gesucht wird. Ein Beispiel mag ein Projekt von Prof. Dr. Ingeborg Schüßler sein, in dem sie mit ihren Studenten die Grundlagen von Pädagogik erarbeitetete, indem sie die Studierenden nicht nur gärtnerisch, sondern auch schriftstellerisch oder malend das Thema von verschiedenen Seiten erarbeiten und reflektieren ließ.

Ich hoffe, dass auch andere diese Ideen aufgreifen, denn ich denke, hierin steckt noch ein riesiges Potential, das vielen helfen könnte, nicht nur leichter, intensiver und nachhaltiger zu lernen, sondern auch spannende, wertvolle Innovationen zu kreieren. Für mich jedenfalls ist diese Verbindung zwischen Kreativität und Lernen spannend. Sie wird mich wohl mein Leben lang begleiten.

Links zum Thema:

Werner Stangl, Lernpsychologe, über die konstruktivistischen Lerntheorien

FAZ-Artikel zum Thema Kreativität

Co&lumbus: Versuch einer Definition von Kreativität

IDEOs Toolkit „Design Thinking for Educators“